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Zwischen Wahnsinn und Erwartung - wie viel anders ist normal?

An guten wie an schlechten Tagen (Ein Versprechen an mich selbst)

In guten Phasen kann ich die schlechten meist nur sehr verzerrt erahnen.

Ich kann nicht verstehen, woher der ganze Pessimismus und all die Angst kommt. In guten Phasen sind Schulden nur Schulden und Konflikte nur Konflikte. Eine berufliche Änderung ist eine Einladung des Lebens, etwas Neues zu entdecken.

In guten Phasen ist der Sonnenschein auf der Nase genug Abenteuer und Lebenslust für eine Woche.

In guten Phasen ist “Depression” nur ein Wort, eine Erinnerung, die Schatten wirft und eine Gänsehaut den Rücken rinterjagt.

Ich denke dann “ich muss nur machen, ich muss nur wollen”, und weil es klappt, glaube ich mir.

In guten Phasen verdränge ich nichts, da packe ich an. Eingestaubte Themen und neue, Bürokratisches, Haushalt, Sternträume und der tolle Tag mit dem Kind? Haken drunter.

In schlechten Phasen nicht.

In schlechten Phasen schweben die anzupackenden Themen damoklesschwertartig über mir. Sie kreisen und ermahnen mich, anzufangen.

Ich sitze darunter und schiebe sie meditativ hin und her, um mich konzentrieren zu können. In schlechten Phasen benötige ich Konzentration, um mich an die Reihenfolge der Bewegungsabläufe zu erinnern, die ich brauche, um aus dem Bett zu steigen.

Ich wache auf mit brennenden Ringen um den Augen, mit schmerzenden Füßen und Angst im Bauch. Ich wache auf mit vorsichtig klopfenden Kopfschmerzen die mir sagen, dass ich an zu viele Dinge gleichzeitig denke.

Ich habe dann Nebel in meinem Kopf oder schlimmer: Milchglaswände aus Panzerglas. Ich sehe düster Wichtige Themen umherschwirren, wie Wespen sirren sie aggressiv gegen die Scheiben, aber ich kann nicht erkennen, was es für Themen sind. Zu sehr beschäftigt mich der Versuch, ein anständiges Frühstück zuzubereiten. Einen Fuß vor den Anderen zu setzen.

Meistens weiß ich ziemlich genau, dass gerade etwas schief läuft, ich weiß nur nicht, wie ich etwas daran ändern kann.

Es gibt das Wort “einfach” dann nicht mehr. Der Nebel streicht es aus meinem aktiven und passiven Wortschatz.

Einfach ist nicht einmal mehr duschen. Einfach ist es nicht, das Fenster aufzumachen. Es ist nichts “einfach” alles kostet Kraft, alles benötigt Zeit, alles macht müde.

Manchmal versuche ich, den Auslöser zu finden. Statt einer Lösung stoße ich dabei auf einen Angstknoten in meinem Bauch, einen in jeder Hand und einen in meiner Brust.

Jeder dieser Knoten zieht sich fest zusammen, wenn ich lang an ihn denke.

Eine Weile lang kann ich mit diesem ganzen Wirrwarr gar nichts anfangen. Eine Weile bin ich trotzig und versuche ein noch höheres Pensum an Aufgaben zu erfüllen. Dann werde ich wütend, auf irgendwen, irgendwas das gerade schief läuft, am Meisten auf mich selbst.

Und dann werde ich traurig. Traurig, weil ich hilflos bin und einsehe, dass es doch wieder da ist, das graue, widerliche Monster, das zwischen mir und meiner Lebenslust sitzt.

Depressionen fühlen sich für jeden Menschen anders an. Und ehrlich gesagt bin ich sehr froh über die Ruhelosigkeit, die mir innewohnt, in diesen Momenten. Den Trieb etwas zu tun. Aufräumen, telefonieren, spielen mit dem Kind, mein Leben planen.

Hauruck und Nägel mit Köpfen. Ich bilde mir ein, dass ich so für den Filou präsenter bin, dass er nicht so sehr unter meinen Macken leiden muss.

Ich bin auch froh darum, niemals mit Suizidgedanken kämpfen zu müssen. Ich möchte mir nicht ausmalen, wie furchtbar es sein muss diese Option zu “haben”, wenn die dunklen Gefühle lauter sind als die Hellen.

Denn in den schlechten Phasen erinnert man sich ja selten an die Guten. Es fühlt sich ja nicht dieser Moment schlecht an, sondern die ganze eigene Persönlichkeit verschwindet in schwarz und grau, in Erwartungsdruck, Angst und Perspektivenlodigkeit.

Minderwertig. Überfordert. Nicht gut genug. In den Sand gefahren.

Ich wollte diesen Text eigentlich vor ein paar Tagen posten. Ich wollte ihn abmildern mit den letzten Worten und Mut machen, um Anderen Betroffenen, die das hier lesen zu zeigen, dass sie es ändern können!

Aber mir fielen keine Mutmacher ein und ich glaube, das beschreibt ganz gut, wie das ist.

Heute aber bin ich aufgestanden, tanzend und optimistisch. Heute hat die Sonne meine Nase gekitzelt und die Musik des Abends hat mich begleitet.

Es sind die guten Freunde, die Musik, die guten Wünsche. Es ist Arbeit und Kampf. Es ist Glück.

Aber möglich ist es auch. Und in jeder guten Phase verspreche ich mir das. Es ist möglich! Es wird besser.

Und in den schlechten Phasen erinnern mich die Leute dran, die es sonst in meinem Leben gibt!

Mit Liebe (und Zuversicht)

Kaddi

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