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Zwischen Wahnsinn und Erwartung - wie viel anders ist normal?

Fingereis

Fröhich trapst das Kind voran. “Ich hab keinen Euro, wir müssen den kleinen Wagen nehmen,” sage ich, während der Vierjährige, immer noch fröhlich, neben mir läuft. “Schade,” sagt er.

Im Laden steuere ich auf den Kindereinkaufswagen zu. “Nein, der ist blöd,” sagt er. Ich verdrehe die Augen. “Naja den Großen können wir Grad nicht-” er unterbricht mich wutentbrannt. “Dann ich dich hasse!” verkündet er und rennt in den Laden. “Bleib bei mir, im Laden geht das nicht,” rufe ich halbherzig und checke im Kopf meine Möglichkeiten ab. Die Musik dudelt, es sind viele Kunden da, überall auf den Fluren stehen Waren und es wuseln einräumende Verkäufer herum. Die Chance, dass ich alle Sachen finde, das Kind schnappen und schnell zur Kasse komme?

Halbherzig Pack ich das Nötigste ein, dann seh ich den blonden Haarschopf kurz aufblitzen. Seine Mimik verspricht eine Mischung aus Provokation, Unsicherheit, Wut und Lust auf Quatsch. Ich steuere grinsend auf ihn zu, in seinem Gesicht gewinnt die Wut. “Ich dich hasse!” ruft er. Mit zusammengekniffenen Lippen drehe ich mich zum Wagen um. Ich könnte hinterher, aber ändern würde das nichts. Er wurde gleich wieder losrennen oder in Tobsucht losschimpfen. Ich beschließe das Toilettenpapier zu holen, mit ihm das Eis einzusammeln, das wir abgesprochenerweise mitbringen wollten und dann zur Kasse zu stiefeln.

Das Personal beäugt mich misstrauisch. Abprallen lassen, berufe ich mich selbst zurück aus den Untiefen der Misantrophie. Mit kassenfertigem Einkaufskorb möchte ich das Kind einsammeln. Weg. Überall Menschen.

Ich lass den Korb stehen, streife durch die Regale.

Fuck. Keine Neonfarbene Jacke.

Ich spreche zwei drei Menschen an – hilfloses Schulterzucken. “Nee hab ich jetzt aber auch nicht drauf geachtet muss ich sagen.” Ich geh weiter durch den Laden und beruhige mich. Was hätt ich anders machen können? Könnte er auf den Parkplatz.. ?

“Da hinten zwischen den Regalen,” ruft mir eine Frau mit eigenen Kindern zu. Ich atme. “Danke!” Und finde das Kind, das mit irgendwem redet, seinen Namen sagt, den seines Bruders. “Aber der im Urlaub ist noch” sagt er.

“Und du kommst jetzt mit,” mische ich mich ein. “hab mich ganz schön erschrocken, du warst schon lange weg,” sage ich. “Ich mich stecken wollte,” sagt das Kind.

“Find ich nicht gut,” sag ich. “Zusammenbleiben ist wichtig bei so vielen Leuten. Hab schon alle gefragt wo du bist,” sage ich. Er guckt mich an. “Nicht meine Schuld,” sagt er.

“Nu komm” lenke ich ab, “Gehen wir das Eis holen, dann noch den Korb, ab zur Kasse und nach Hause?”

Er nickt. Puh, denke ich. Das ging gut für das Potenzial.

Das Kind erblickt den Korb, lässt sich auf die Knie fallen und brüllt. Atmen, kadika.

Vorbei. Es folgen fünfzehn Minuten “Ich dich hasse!” Hauen,vtreten, wegrennen wollen. Die Flure sind sehr voll. Die Geräuschkulisse bringt mich um. Ich Versuche ruhig zu sein. Setz mich mit dem Kind mitten in den Flur, erkläre ihm was passiert, sag ihm was geht und was nicht, Versuch ihn abzuschirmen. Fremde Leute bleiben stehen, zögern, wollen sich einmischen. Keiner tut es, ich bin erleichtert. Halte das Kind fest. Er greift nach meinen Haaren, zieht. Wütend Pack ich seine Hände und meckere. “Aua! Das geht gar nicht! Das tut mir weh!”

Ist dem Kind egal. Zornig sucht er nach einem Weg, mir mehr wehzutun.

Ich kapituliere. Bitte eine rumstromernde Mitarbeiterin mir den Wagen abzunehmen, werfe das weinende Kind über die Schulter, geh mit ihm den Weg bis nach Hause.

Abgesetzt rennt er weg. “Ich eine Pinkelpause Brauch,” ruft er und setzt sich weinend auf die Wiese. Pinkeln muss er nicht. Eine Pause braucht er.

Ich sitz da Rum und denke nach. Den Einkauf brauchen wir. Nochmal zurück? Meine Eltern fragen?

Wie hab ich das mit seinem großen Bruder gemacht? Warum ist er so? Was mach ich falsch?

Ist das jetzt dieses Ding mit der Überreizung oder fehlende Erziehung oder einfach die Quittung für mein gestresst und nicht aufmerksam genug sein?

Ein paar Minuten lass ich mich in die unnötigen Grübelkreise fallen. Dann kommt das Kind zu mir. Fröhlich mit Stöcken spielend. “Hallo Mama,” sagt er. “hm?” frag ich. “Geht’s jetzt besser?” frage ich.

“Ich nur wütend war der falsche Einkaufswagen so klein und meine Füße mir meh tun,” sagt er. “Hm. Aber in dem großen kannst du auch nicht mehr sitzen,” sage ich. Er zieht die Augenbrauen zusammen. “Meine Wut jetzt schon wieder groß wird, ich glaube du musst die rausziehen da,” sagt er und zeigt auf sein Ohr.

Also zieh ich ihn unsichtbare Wut aus dem Ohr. Wir machen n Knoten rein. Er pustet sie weg. “Wir jetzt bitte können Fingereis kaufen?” fragt er.

Puh.

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