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Zwischen Wahnsinn und Erwartung - wie viel anders ist normal?

Worte über Traurigkeit

Wenn ich ganz allein bin, wenn die Lichter aus sind und mir keiner mehr über die Schulter guckt, ist da diese Traurigkeit.

Ich würde gern Vergleiche finden, die sie beschreibt, aber die gibt es nicht.

Es gibt nicht genug Worte um sie zu beschreiben, auch wenn ich immer wieder versuche sie in Worten zu fassen zu kriegen, ihr hübsche Kleider aus Buchstaben zu dichten die sie einfangen als Melancholie oder Sehnsucht, als etwas, das übrig bleibt aus alten Geschichten und mir noch anhaftet oder etwas, das vergeht – aber so wie wir nicht bis unendlich zählen können, so kann ich nur immer, immer wieder neue Worte finden, Sätze erfinden, Buchstaben aneinanderreihen und sie fallen dort hinein, wie in ein sehr, sehr dunkles Loch aus Einsamkeit und Leere.

Ja: Es fühlt sich nicht nach weniger an als nach einem Loch in mir, das durch nichts jemals gefüllt werden kann. Natürlich ist sie nicht lähmend und herrschend oder hindert mich daran, irgendwas zu tun: Aber auch alles, was ich tue, ändert nichts an ihr. Es ist einfach nur gefüllte Zeit – Zeit gefüllt mit allem, was ich tun kann und tiefer Trauer.

Ich habe schon auf so viele Arten versucht ihr einen Rahmen zu bauen, in dem sie sich bewegen darf, ihr einen Platz in meinem Leben einzuräumen: Als Depression oder als Trauma, als Persönlichkeitstörung oder als charakterliche Macke, als Überrest einer anderen Zeit und als in die Gene gelegte Fehlfunktion, als Gabe, in andere Welten zu sehen und als Ursprung all meiner Kreativität aber die Wahrheit ist: Ich weiß nicht, was es ist und ich werde es nie wissen und nie, niemals werde ich Worte finden, die sie wirklich begreifen können.

Wenn ich so traurig bin, so, so traurig, dann gibt es nichts, was mich fängt. Ich habe längst gelernt, dass es vergeht, immer vergeht und genausowenig von Dauer ist wie alles andere, was ich fühlen kann.

Jeder dieser Sätze rahmt sie ein, aber wenn ich sie das nächste Mal lese, dann stimmen sie schon nicht mehr. Jedes Wort verliert an Bedeutung und an Wert, während ich es tippe, nichts von dem Gefühl haftet ihnen an: Ich laufe nur einer Erinnerung nach in müde heraufbeschworenen Schriftzeichen.

In Wahrheit kann es dafür gar keine Worte geben, weil sie keine Sprache kennt, diese Traurigkeit. Weil sie alle Brücken in Schutt und Asche zerfallen ließe, die man über sie zu spannen versucht. Weil sie viel tiefer greift als ich nach Worten greifen kann, obwohl ich schon so, so lang übe sie im vorbeifliegen zu erhaschen.

Ich beobachte mich so genau und obwohl ich längst weiß, dass sie immer und immer wieder kommen wird, versuche ich immer noch ihr auszuweichen, Wege zu finden, sie nicht ganz so sehr fühlen zu müssen, ihr etwas entgegensetzen zu können: Aber nein, da gibt es nichts. Was ich tun kann ist genießen, dass sie nicht immer da ist und mir immer dann einreden, dass ich sie auch genieße, wenn sie da ist; Dabei ist auch das unmöglich. Nur akzeptieren kann ich sie und darauf vertrauen, dass sie nicht alles ist, nie alles sein kann, so lang ich mich habe, so lang ich atme, solang es einen nächsten Tag gibt.

Manchmal dachte ich schon, die Traurigkeit ist der Tod selbst; und die Freude das Leben. All zu leicht ist es dann auch zu denken so funktionieren Tag und Nacht, Krieg und Frieden und so weiter und so fort, aber nein. So wie ich traurig bin kann vielleicht nicht einmal ich fröhlich sein, und so traurig ist auch nicht der Tod. Der Tod endet und das Leben auch und das Leben ist nicht nur schön.

Aber diese Traurigkeit die ist nur das: Traurig und fremd, unverbunden und einsam, missverstanden und schief und dabei gleichgültig gegenüber allem, was sonst existiert.

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