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Zwischen Wahnsinn und Erwartung - wie viel anders ist normal?

Aus dem Innen ins Außen

„Da mach ich nicht mit! Ich hab in den letzten Wochen faktisch Dauerschichten geschoben. Ich brauch ne Pause.“ Die Anderen blickten die Einsamkeit streng an, doch sie hielt den Blicken stand. Als ihre Kollegin zu sprechen begannt, lehnte sie sich angespannt zurück. Es waren immer dieselben, die diskutierten. „Wann immer ich ein paar Stunden übernehme, läuft meine Kraft ins Leere. Mit Motivation allein kann man gerade nichts ausrichten.“

„Das Team besteht auch aus mehr Leuten als uns Beiden.“ Im Grunde war diese ganze Besprechung nutzlos, dachte die Einsamkeit bei sich. Klar, Motivation gab ihr Bestes, aber so lang Mut und Kreativität sich ausschwiegen, würden höchstens Trauer und Wut das Feld übernehmen können. Und die hatten im Moment wirklich schlechte Karten, es gab einfach wenig Spielfläche für sie.

Mit Freude und Zuversicht konnte sie einfach schlecht arbeiten – es war zum Haare raufen. „Ich glaube,“ überlegte Kreativität laut, „Wir brauchen ein paar Träume.“ Einsamkeit verdrehte die Augen. „Immer dasselbe. Träume, abwarten. Damit halten wir den Laden hier nicht ewig am Laufen, ich sag dir das.“ Freude mischte sich ein. Das war gut – Freude nahm Vieles hin, wenn sie mal einen Einwand hatte, brachte sie oft auch etwas ins Rollen. „Jemand muss mal mit Angst reden, ich verzweifle langsam an ihr. Sie pfuscht mir ständig in meine Aufgabenbereiche.“

Kurz wurde es sehr still im Raum, dann meldete sich die Angst höchstpersönlich zu Wort. „Weißt du noch, was das letzte Mal passiert ist, als ich deine Arbeit nicht überprüft habe?“

Obwohl ihre Stimme dünn und brüchig war, hallte sie in dem großen Raum lang nach. Niemand wollte etwas dazu sagen, denn alle spürten den kalten Schauer. Sie wussten, was das bedeutete: Leere machte sich breit. Sie hatte keine Stimme und kein Stimmrecht. Sie war ein ungebetener Gast, von einem Nebel umgeben, der die Luft zum Klirren brachte. Selbst die Gedankenfäden zerbrachen unter ihrer Kälte, wenn sie einen Raum betrat, waren alle Gespräche beendet.

Zuversicht stand auf und rückte den Stuhl geräuschvoll vom Versammlungstisch. „Hier ist gerade kein Platz für dich.“ sagte sie in ruhigem, aber bestimmten Tonfall. „Wir haben die Situation hier sehr gut im Griff.“

Ein Zischen unterbrach das Gespräch. „Das hat gerade noch gefehlt!“, meckerte Einsamkeit. Ein Zweifel war in den Raum geschwirrt. Nun surrte er lautstark durch die Luft und unterbrach die Gedanken, die vom Protokollführer mühsam, Masche um Masche zu einem neuen Netz geknüpft wurden. Die Tür öffnete sich geräuschvoll. Leere war verschwunden – stattdessen stand Mut im Raum. Bevor der rote Faden völlig verknotet werden konnte, fing er den Zweifel ein und strich ihm über den Rücken.

„Ist gut, ich weiß, warum du hier bist. Du kannst wieder gehen.“

Einsamkeit beobachtete das Schauspiel genau. Mut hatte sehr lange nicht mehr an den Teamsitzungen teilgenommen. Als er begann zu sprechen, war seine Stimme sehr laut. Er war der Einzige, dessen Stimme so laut und gleichzeitig so sanft sein konnte.

Er richtete seine Worte an Angst. „Nein, Angst. Ehrlich gesagt weiß ich nicht, was das letzte Mal passiert ist, als du Freudes Arbeit nicht kontrolliert hast. Ich finde Freude macht ihren Job seit vielen Jahren wirklich gut. Und ich denke, dass du schon seit vielen Jahren deinen Kompetenzbereich deutlich überschreitest. Tatsächlich seit so vielen Jahren, dass ich mich nicht daran erinnern kann, wann du einen von uns mal in Ruhe unseren Job machen lassen hast.“

Einsamkeit hielt vor lauter Anspannung die Luft an. Wie lange hatte sie auf Unterstützung dieser Art gewartet?

„Ich – Ich will uns nur beschützen…“ stotterte Angst. „Du sollst uns warnen, Angst, wenn du etwas siehst, dass uns gefährlich werden kann. Beschützen – das ist meine Aufgabe. Abwägen, das macht Zuversicht. Und wenn etwas schief läuft – dann macht Trauer ihren Job und räumt auf.“ Wut räusperte sich laut und Mut lachte:

„Ja, Brüderchen, ich weiß, dass ich auf dich zählen kann. Aber du weißt, dass du nur der Notfallplan bist – und wenn Angst sich endlich mal an die Abmachungen hält – ich denke, dann haben wir ganz gute Chancen, es ohne dich zu schaffen.“

Einsamkeit blickte Jedem der Anwesenden einmal ins Gesicht. Da war Angst, inzwischen unscheinbar, aber aufmerksam – Zuversicht mit leuchtenden Augen. Kreativität, die etwas selbstgerecht und mit verschränkten Armen am Tisch saß und Löcher in die Luft starrte. Einsamkeit mochte ihr Team. Sie wünschte nur, alle würden ihren eigenen Job machen. Sie war nicht in der Position, das Maß an Verantwortung zu tragen, das sie im Moment übernehmen musste.

Als sie bei Mut angekommen war, hielt sie inne und seufzte. „Wo warst du so lang?“ fragte sie anklagend. Mut ließ die Schultern sinken. Angst war inzwischen kaum mehr als ein Schatten auf ihrem Stuhl, gerade sah es aber aus, als wolle sie sich wieder aufrichten.

„Ich musste aufräumen“, begann er seine Erklärung. „In den letzten Jahren hatte sich in den Schattenräumen allerlei Gerümpel angesammelt. Zwischen dem Schutt hatten sich viele Zweifel verfangen, große Gedankenknäule waren versteckt zwischen verblassten Träumen. Ich habe überlegt, euch um Hilfe zu bitten, aber mir war klar, dass diese Aufgabe bereits eine große Menge unserer alltäglichen Ressourcen in Beschlag nehmen würde. „

„Du hast die Schattenräume entrümpelt?“ fragte Wut fassungslos. „Ohne mich!?“ „Ich hab ihm geholfen“, murmelte Trauer leise.

„Was, wollt ihr mir sagen dafür brauchtet ihr mich nicht!?“

„Oh doch, sicher. Nur – du musst zugeben, du bist nicht unbedingt geduldig – und hätten wir dich da reingelassen, wär im Nu alles kurz und klein gewesen. Und dann hätten wir das hier vielleicht nicht gefunden.“ Mut hielt eine Spule in die Luft.

„Was ist das denn,“ unterbrach Wut, „Ach Gott, eine Gedankenstütze?“

Wie selbstverständlich griff der Protokollführer nach der Spule und begann, den roten Faden darauf zu wickeln. So lang er das tat, sagte Niemand ein Wort – er bedeutete ihnen zu schweigen.

„Und das ist alles? Dafür bringt ihr mich um meinen Job?“ Wut wurde laut. Angst machte einen Buckel, sie fauchte leise. Sie hasste es, wenn Wut begann viel Wind um Nichts zu machen. Einsamkeit verstand seinen Ärger. Wut wurde oft verkannt. Er macht seinen Job gut und gründlich. Oft genug hatten die Beiden gemeinsam für Gerechtigkeit gekämpft. Aber sie verstand auch Mut.

Oft genug nutzte Wut schließlich den Impulser, der Besprechungen umging. Zu häufig hatte Wut bereits Situationen verschlim

„Nein, das ist nicht alles!“ Einsamkeit runzelte die Stirn. Diese Stimme kannten sie nicht. „Mut hat mich gehört. Und Mut hat genau getan, was ich ihm gesagt habe. Und auch, wenn ihr mich nicht kennt – ihr solltet es ihm gleich tun und mir eine Weile das Feld überlassen.“ Zuversichts Augen begannen zu leuchten.

„Jetzt wird alles gut,“ sagte sie. Einsamkeit ahnte, dass sie sich nun bald eine Weile ausruhen konnte, dennoch wartete sie die letzten Worte von Zuversicht ab, bevor sie schweigend den Raum verließ.

„Jetzt wird alles gut“, wiederholte Zuversicht, „denn Vertrauen ist endlich wieder da.“

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