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Zwischen Wahnsinn und Erwartung - wie viel anders ist normal?

Wo meine Probleme liegen

[18.03.2015 – Akt II Stationäre Therapie]

Wissen Sie, ich habe nachgedacht. Als ich gelacht habe, weil ich dachte, dass ich weinen sollte. Als ich mich schlafen legte, obwohl ich weglaufen wollte – als ich dachte, dass es klug wäre zu reden und dann wieder nur zu hören bekam, was sowieso keinen Platz in meinem Chaos findet, als ich „Käpt’n Peng“ zuhörte und seinen Anti-System-Enthusiasmus bewunderte, habe ich darüber nachgedacht, wo mein Problem wohl liegt.

Verdammt ja! Ich nehme mich nicht ernst! Aber woher auch? Jeder Jedermann denkt, er hat Recht. Seit Milliarden von Jahren, jetzt haben wir ein Bildungssystem, ein Sozialsystem, dass uns ‚allen‘ die Möglichkeit gibt, in kleinen Kästen zu wohnen und uns im Rahmen der Konventionen selbstzuverwirklichen. Und natürlich werde ich gefragt, was ich möchte und kann mir Raum für meine Träume erobern – naja, bis ich auf die Barrikaden des allgemeinen Horizontes stoße, es wage anzudenken es anders zu machen, bis ich in Schubladen gedrückt werde, die ich vorher schon eine Milliarden Mal gesprengt habe.

Ja! Ich kann und muss für mich einstehen, wenn ich etwas erreichen möchte. Aber ich bin doch jedes Mal zu laut, zu leise, zu bunt, zu unauffällig, fähig dazu mich Veränderungen anzupassen aber nicht fähig auch angepasst zu bleiben, ein laufendes Paradoxon, Millionen Mal fehlinterpretiert und der Einfachheit halber im Raum stehen gelassen.

Dann wird so lang an mir herumgedokotort bis ich irgendwann glaubte, ich sei krank. Krank! Ich hab das Leben aus einer anderen Perspektive kennengelernt und Erfahrungen gemacht, die nicht jeder teilen kann. Ich habe eine verschrobene Sicht auf die Welt, aber deshalb doch nicht falsch!
Ich bin anders, aber nicht schlechter und das weiß ich, aber will es niemandem sagen. Ich lass das einfach so der Einfachheit halber im Raum stehen und agiere dann hinternrum.
Ich will Bücher schreiben, den bekloppten Menschen zu verstehen geben, dass sie das Leben mit beiden Händen nehmen und genießen wollen und werde für das breite Lächeln, dass ich der Welt zeige, als Maskenträgerin verunglimpft.

Hey, Ja! Aber als ob in dieser Welt wirklich noch Platz ist für noch mehr weinende Menschen, als ob jemand wirklich darauf wartet, eine geballte Ladung Frustration abzufangen, als ob ich mir einfach erlauben könnte, so zu sein, wie ich bin, wenn ich erwarten muss, dass die eine Hälfte des Publikums mir Vorwürfe macht und die andere sich selbst.

Ich verbarrikadiere mich also lieber hinter einer Mauer aus Selbstvorwürfen, damit die Anderen das nicht übernehmen, schreie in die Welt dass ich das allein kann und warte dann, dass mich jemand an die Hand nimmt, damit ich Recht habe, wenn ich sage, dass es ohnehin nicht klappt und Sie mir dann sagen, ich würde das schon schaffen.

Und klar, manchmal erwische ich mich beim Überdramatisieren aber, hey?! Was ist das Leben ohne echtes Drame, was ist ein Drama ohne Künstler – Lebenskünstler, also – und was ist widerum der ohne sein Publikum? Also Dreck aufs allein-sein! In Gesellschaft bin ich am Besten ich und Fakt ist … Das ich dann wohl mit den Selbstvorwürfen aufhören muss, weil eine Lebenskünstlerin hinter Mauern gar nicht gesehen wird. Und das Ding, dass da verhätschelt wird, ja irgendwie ganz schön fertig aussieht – Sie wissen schon, von Selbstvorwürfen zerfressen und der Einfachheit halber im Raum stehen gelassen, von mir und vorher von Anderen – irgendwie Kunst – Aber das ist wohl subjektiv und wenn ich jetzt Mal innehalte, bin ich wütend auf die Welt, auf zahllose Menschen, auf Familie und Freunde und schlussendlich auch auf mich und ich weiß, da ist das Problem!
Denn eigentlich bin ich ein klasse Mensch, mit Energie und Träumen und ansteckender Euphorie und weil eigentlich eigentlich kein Wort ist, bin ich das sogar tatsächlich! Ich will das also allen Anderen zeigen, aber man!
Am Ende kommt ja dann doch niemand, um mir die Hand zu reichen und wenn doch –

Kreise. Kreise können echte Probleme sein. Verstehen Sie, klar! Sie sind rund und ästhetisch aber verdammt endlos.

Und wenn ich jetzt sage gut, ich geh! Ich pack meine Sachen um irgendwo zu erkennen, dass ich was richtig mache, jetzt nicht von hier, sondern an einen richtig anderen Ort, vielleicht schreib ich ein Buch oder starte eine Für-das-Leben-Initiative, indem ich einfach Mensch bin und andere damit anstecke, dann werden Sie schmunzeln?

Oder die Stirn in Falten legen und sagen „Langsam, wovon wollen Sie leben?“ -Was solls? Das wird sich schon ergeben – mein Problem:
Ist, dass ich nichts Ernst nehme, aber allem Bedeutung beimesse. Mir selbst allem voran, weil ich weiß, was es heißt allein zu sein und auch weiß was es heißt, was ich sage so zu meinen, weil ich weiß ich bin der Mittelpunkt für mich.
Aber der Mittelpunkt der Welt ist Licht und Schatten und Ja oder Nein, und dabei groß und nicht klein zu bleiben. Können Sie noch folgen? Auf den Punkt: Sie haben Recht, mein Selbstwert steht gen Null, aber ganz oben steht das Leben. Ich trau mich nur nicht es mir zu nehmen, denn aus meiner Perspektive steh‘ ich ganz schön daneben und alles sieht verworren aus.

Angestoßen von einem Blogpost, den ich vorhin zufällig las, erinnerte ich mich an diesen Text, den ich damals geschrieben habe. Ich stand in der vierten Woche meines letzten, langen stationären Klinikaufenthaltes. Mein Therapeut forderte mich auf, meine Leichen aus dem Keller zu holen. Darüber nachzudenken, was eigentlich meine Probleme sind.
Er war der erste, der in erster Linie mich und erst in zweiter die Diagnose sah, der mich und meine Gedanken und Bedenken so ernst nahm, wie sie waren.
Trotzdem habe ich die Gedanken, die seine Frage in mir aufwarf, nicht mit ihm, sondern in meinem Tagebuch mit mir ausgemacht.

Ich war so unruhig, als ich diesen Text schrieb. Am Liebsten wäre ich sofort aufgestanden, hätte meine Sachen gepackt und alles hingeschmissen. Ich hatte keine Lust mehr auf die ganze Therapie, ich fühlte mich nicht mehr krank!

Plötzlich stellte ich alles in Frage. Ein Teil dieser Unruhe packt mich auch heute Abend: Kann ich überhaupt so sein, wie ich sein will? Kann ich mich selbstverwirklichen? Und wo fange ich da denn an?

Einfach losziehen ist heute keine Option mehr und ein Teil von mir wünscht sich, ich hätte das damals einfach getan. Heute habe ich einen Sohn, der mich braucht. Der ein Fundament braucht, um sich eines Tages selbst zu verwirklichen. Im Besten Fall hat er eine Mutter, die weiß wer sie ist.
Und ja, bei diesem Gedanken halte ich auch schon wieder inne!

Weil ich ja eigentlich weiß, wer ich bin. Laut und bunt, Mediator – gut mit Worten, gut darin, Menschen zu sehen. Gut darin, zu helfen.

Was fehlt also? Beständigkeit? Das Besondere?
Muss es mehr sein, als das, was ich habe? Muss es zwangsweise die Konventionen sprengen, um echt zu sein? Oder kann es nicht sogar das Gegenteil sein – vielleicht gibt mir ja das Kleine das Große. Ich denke, etwas Größeres habe ich in all meinem Wirrwarr von Leben noch nicht erlebt, als die Beständigkeit und Größe im Hier und Jetzt. Und ist es nicht so, dass ich vor Allem jetzt an den großen Zielen arbeite?

Bin ich nicht im Hier und jetzt mutig genug, meine Gedanken zu teilen – lerne ich nicht hier und jetzt das Notwendige, um das Sprechen, das Denken und das Helfen – meine Berufung also – zu meinem Beruf zu machen? Und wie konventionell ist das eigentlich tatsächlich – es gibt so viel mehr, als nur die Extreme. So viele Farben, so viele Lichter zwischen Schwarz und Weiß. Es war ein verdammt langer Weg, das zu begreifen – ich meine so richtig, mit dem Herzen. Ich habe große Träume! So große! Und auch wenn es sich manchmal so anfühlt, als hätte ich meine Komfortzone nie verlassen und würde immer noch auf den richtigen Moment warten, endlich loszugehen, denke ich doch…

Ich denke, ich bin auf dem richtigen Weg. Ich wünsche euch, dass ihr euren auch findet.

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